Wenn man von Granada in Richtung Osten fährt, eröffnet sich am Rande der Sierra Nevada plötzlich eine Landschaft, die so gar nicht nach dem klassischen Andalusien aussieht. Statt Olivenhainen und weißen Dörfern tauchen kleine Hügel auf, durchzogen von Türen und Fenstern: Guadix, die Stadt der Höhlenwohnungen – einem Ort, an dem Menschen seit Jahrhunderten im Inneren der Erde leben.
Für uns war es einer der überraschendsten Stopps auf unserem Andalusien Roadtrip. Nach all den Küstenorten, Burgen und weißen Dörfern stand hier etwas völlig anderes auf dem Programm: ein Besuch in einer Stadt, in der fast die Hälfte der Einwohner buchstäblich unter der Erde wohnt.
Inhalt
Wohnhöhlen in Guadix: Leben im Inneren der Erde
Die sogenannten Cuevas de Guadix sind keine Touristenattraktion, die künstlich nachgebaut wurde, sondern echte Wohnhäuser, in denen Familien leben. Weiß getünchte Eingänge ragen aus dem Fels, dahinter führen verwinkelte Gänge in kühle Räume mit Gewölbedecken, die das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von ca. 18–20 Grad halten – im heißen andalusischen Sommer ein Segen.
Ein traditionelles Höhlenhaus bestand oft aus mehreren Räumen, die tief in den Fels gegraben wurden:
- Wohn- und Schlafräume: schlicht eingerichtet, aber angenehm temperiert.
- Küche mit offenem Herd oder Backofen, oft mit einem kleinen Abzugsschornstein, der oben aus dem Hügel ragte.
- Ställe oder Lagerräume für Vieh und Vorräte, die im hinteren Teil der Höhle angelegt wurden.
Noch heute findest du viele dieser Strukturen in den bewohnten Höhlen wieder – nur eben modernisiert, mit Strom, Wasser und manchmal sogar schicken Badezimmern.
Ein Spaziergang durch das Barrio de las Cuevas, das Höhlenviertel von Guadix, fühlt sich an wie eine Mischung aus Hobbitdorf und andalusischem Märchen. Überall kleine Schornsteine, die aus den Hügeln ragen, dazwischen bunte Türen und Blumenkästen.
Der Ursprung der Höhlenhäuser: Von der Antike bis heute
Die Höhlen sind weit mehr als eine kuriose Sehenswürdigkeit – sie gehören zu den ältesten und größten Höhlensiedlungen Europas. Archäologen gehen davon aus, dass die Region schon in der Antike bewohnt war. Spätestens ab dem Mittelalter nutzten die Menschen das weiche Tuffgestein, um sich vor Hitze, Kälte und Angriffen zu schützen.
Heute gibt es in Guadix und den umliegenden Dörfern noch rund 2.000 bis 2.500 Höhlenwohnungen, von denen etwa 1.500 noch dauerhaft bewohnt sind. Damit ist Guadix eine der größten zusammenhängenden Höhlenstädte der Welt. Ähnliche Siedlungen findest du in Orten wie Purullena oder Benalúa, aber nirgendwo sind sie so eindrucksvoll und dicht wie hier.
Besonders spannend: Viele Häuser wurden über Generationen hinweg weitergegeben. Hinter den einfachen Eingängen verbergen sich oft erstaunlich moderne Wohnungen mit Küchen, Bädern und WLAN. Außen Tradition – innen Komfort.
Das Höhlenmuseum von Guadix (Centro de Interpretación Cuevas de Guadix) & die Höhlenkirche Ermita Nueva
Wenn du die Höhlen von innen erleben möchtest, ohne gleich dort zu übernachten, lohnt sich ein Besuch im Höhlenmuseum. Hier kannst du durch ein originalgetreu eingerichtetes Höhlenhaus schlendern und mehr über die Geschichte, Bauweise und das Alltagsleben der Bewohner erfahren. Für Kinder ist es ein echtes Abenteuer, einmal „unter der Erde“ in einem Wohnzimmer zu stehen.
Tipp: Das Museum bietet einen tollen Überblick, aber der wahre Zauber entfaltet sich, wenn man im Viertel einfach losläuft, den weißen Schornsteinen folgt und sich treiben lässt.
Nur wenige Gehminuten vom Museum entfernt wartet ein weiteres Highlight: die Höhlenkirche Ermita Nueva. Auch sie ist teilweise in den Fels gebaut und beeindruckt mit ihrer schlichten, fast geheimnisvollen Atmosphäre. Für uns war es ein besonderer Moment, unter der Erde in einem Kirchenraum zu stehen, in dem die weißen Wände fast mystisch wirken.
Guadix als Filmkulisse
Die bizarren Felsen und das Höhlenviertel von Guadix haben auch die Filmwelt angezogen. Besonders berühmt ist der Ort für Szenen aus den Italo-Western der 1960er- und 70er-Jahre, die in der Wüste von Tabernas und Umgebung gedreht wurden. Guadix selbst diente u. a. als Kulisse in „Für ein paar Dollar mehr“ mit Clint Eastwood.
Auch spätere Produktionen entdeckten die besondere Landschaft: Teile von „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) wurden auf den Eisenbahnstrecken bei Guadix gedreht. Wenn man durch die Höhlenstadt spaziert oder die weite Ebene betrachtet, versteht man sofort, warum Filmemacher diesen Ort lieben – die Kulisse wirkt gleichzeitig geheimnisvoll, urig und filmreif.
Übernachten in einer Höhlenwohnung – ein besonderes Erlebnis
Viele Besucher entscheiden sich dafür, eine Nacht in einer Höhlenwohnung zu verbringen. Es gibt zahlreiche Unterkünfte, vom einfachen Gästezimmer bis hin zu komfortablen Ferienwohnungen mit Pool.
Das Gefühl, in einem Raum zu schlafen, dessen Wände aus Fels bestehen, ist einzigartig. Gleichzeitig bleibt es auch im Hochsommer angenehm kühl, sodass man wunderbar schlafen kann.
Für Familien ist es besonders spannend – Kinder fühlen sich wie kleine Entdecker, die eine geheimnisvolle Höhlenwelt erforschen dürfen.
Unsere persönlichen Eindrücke von Guadix
Guadix war für uns so ein typischer Ort, den man nicht unbedingt „auf dem Schirm“ hat, wenn man an Andalusien denkt. Doch genau das macht den Reiz aus. Während die Strände und berühmten Städte oft voll sind, wirkt das Höhlenviertel fast entschleunigend.
Wir haben uns durch die Gassen treiben lassen, Fotos von den weißen Eingängen gemacht und immer wieder gestaunt, wie viele Menschen hier tatsächlich noch wohnen. Besonders beeindruckend war der Blick von oben – von einer kleinen Anhöhe sieht man die Schornsteine wie kleine Türme aus der Erde ragen, dahinter die Sierra Nevada mit ihren imposanten Bergen.
Praktische Tipps für deinen Besuch in Guadix
- Anfahrt: Guadix liegt etwa 60 km östlich von Granada. Mit dem Camper oder Auto erreicht man die Stadt in einer knappen Stunde.
- Parken: Es gibt kostenlose Parkmöglichkeiten am Rande des Höhlenviertels. Mit größeren Campern empfiehlt es sich, etwas außerhalb zu parken und zu Fuß hineinzugehen.
- Beste Besuchszeit: Ganzjährig lohnenswert. Im Sommer angenehm kühl in den Höhlen, im Winter nicht so rau wie in den Bergen.
- Übernachtung: Zahlreiche Wohnungen werden über Plattformen wie Airbnb oder Booking angeboten – ein echtes Erlebnis.
- Mit Kindern: Ideal für kleine Abenteurer! Nur aufpassen: Manche Wege sind steil und holprig.
Höhlenstadt Guadix und Umgebung entdecken
Wenn du in Guadix bist, lohnt es sich, auch die Umgebung einzuplanen:
- Das imposante Castell de Calahorra thront über der Ebene und bietet einen atemberaubenden Blick.
- Die Landschaft rund um Guadix ist von Badlands geprägt – bizarre Felsformationen.
- Wer Lust auf mehr Geschichte hat, findet in der Altstadt von Guadix eine sehenswerte Kathedrale im gotischen Stil.
Fazit: Guadix Höhlenwohnungen als Highlight in Andalusien
Guadix ist ein Ort, der zeigt, wie vielfältig Andalusien wirklich ist. Während man an der Küste Sonne und Meer genießt, entdeckt man hier eine völlig andere Welt – eine Mischung aus uralter Tradition und modernem Leben.
Für uns war es ein absolutes Highlight unseres Roadtrips und ein Ort, den wir jedem empfehlen würden, der Andalusien nicht nur von seiner „klassischen Seite“ kennenlernen möchte.
👉 Falls du unseren kompletten Andalusien Roadtrip noch nicht gelesen hast, schau unbedingt dort vorbei – Guadix war nur einer von vielen faszinierenden Stopps!
FAQ: Häufige Fragen zu den Höhlenwohnungen in Guadix
Wie viele Höhlenwohnungen gibt es in Guadix?
Schätzungen zufolge existieren rund 2.000–2.500 in Guadix und Umgebung. Davon sind etwa 1.500 dauerhaft bewohnt.
Kann man in einer Höhlenwohnung übernachten?
Ja! Viele Höhlen wurden modernisiert und bieten heute komfortable Ferienwohnungen. Von einfachen Gästezimmern bis zu luxuriösen Anlagen mit Pool ist alles dabei.
Wie warm oder kalt ist es in einer Höhle?
Das besondere Wohnklima macht die Höhlen so beliebt: Ganzjährig herrschen etwa 18–20 Grad – im Sommer angenehm kühl, im Winter wärmer als draußen.
Wo liegt Guadix?
Die Stadt liegt ca. 60 km östlich von Granada am Rand der Sierra Nevada und ist gut mit dem Auto oder Camper erreichbar.
Gibt es außer Guadix noch andere Höhlenstädte?
Ja, auch in Purullena, Benalúa oder in kleineren Dörfern der Provinz Granada findest du Höhlenwohnungen. Doch Guadix ist das größte und bekannteste Zentrum dieser Bauweise.
Lohnt sich der Besuch mit Kindern?
Auf jeden Fall! Kinder lieben es, durch die schmalen Wege zu laufen, Schornsteine zu entdecken und in ein echtes Höhlenhaus hineinzuschauen.
